Eine Gruppe von Wissenschaftlerinnen spricht auf einem Podium.
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Wissenschaftskommunikation 2030 – wohin steuern wir?

#WissKomm Zentren

Autorin: Dr. Ulrike Schneeweiß

Auf unserem Symposium mit den vier Zentren für Wissenschaftskommunikationsforschung diskutierten wir mit vier Forscherinnen über die Frage: Wo steht die Wissenschaftskommunikation in fünf Jahren? 
 

Seit 2021 erforschen vier von der Volkswagenstiftung geförderte Zentren verschiedene Aspekte der Wissenschaftskommunikation. Im Rahmen eines gemeinsamen Symposiums im Juni 2025 diskutierten vier Wissenschaftlerinnen über Perspektiven für die Zukunft der Wissenschaftskommunikation: 

Sie benannten wichtige Baustellen, darunter die Professionalisierung und Institutionalisierung, Schutz gegen Anfeindungen und die immerwährende Frage nach Zielgruppen und ihrer Erreichbarkeit.

"Werden wir in fünf Jahren überhaupt noch den Raum haben, über Wissenschaftskommunikation zu diskutieren und insbesondere die Geistes- und Sozialwissenschaften in den Blick zu nehmen?", fragt angesichts weltweiter politischer Entwicklungen Aleksandra Vujadinovic, Forscherin im Fachbereich Ingenieurwissenschaften und Kommunikation der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg.

Politische Einflussnahme auf Wissenschaftskommunikation macht den Podiumsteilnehmerinnen Sorgen. Im schlimmsten Fall drohten auch in Deutschland Forschungsverbote und die politisch gewollte Steuerung der Wissenschaftskommunikation, fürchtet Vujadinovic. "Damit die Wissenschaftskommunikation einen Platz in der Gesellschaft bekommt, den sie - auch unter widrigen Bedingungen - halten kann, müssen wir das verstetigen, was wir in den vergangenen Jahren entwickelt und erreicht haben", fordert sie deshalb. 

Eine junge Wissenschaftlerin spricht auf einem Podium.

Aleksandra Vujadinovic ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin mit dem Schwerpunkt Medienkulturwissenschaft an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg.

In der Wissenschaftskommunikation bearbeiten wir heute immer mehr Themen, die politisiert oder krisenbehaftet sind.

Dr. Jana Laura Egelhofer

Auch angesichts der Impact-Orientierung und Ökonomisierung an Hochschulen müsse man sich Gedanken über die Freiheit der Wissenschaftskommunikation machen, meint Vujadinovic. "Um die Freiheit zu sichern, ist es notwendig, Arbeits- und Stellenmodelle in diesem Tätigkeitsbereich sowie die Ausbildungsangebote auszudifferenzieren." Derzeit soll Wissenschaftskommunikation als Teil der wissenschaftlichen Qualifikation, quasi nebenbei, vermittelt und ausgeübt werden: "Wie passt das?", fragt sie. "Eine Person auf einer Postdoc-Stelle macht dann 25 Prozent Forschung, 25 Prozent Lehre, 25 Prozent Wisskomm, und auf den verbleibenden 25 Prozent evaluiert sie das Ganze…?".

Die nötige Professionalisierung der Tätigkeiten und Differenzierung der Ausbildung in der Wissenschaftskommunikation sei natürliche auch eine Frage der verfügbaren Mittel. Es lohne sich aber für die Hochschulen, sich jetzt auf diesem Feld stark aufzustellen, sagt Carolin Enzingmüller, Forscherin am Leibniz Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik. "Die Unis können sich damit profilieren, mutig in neue Strukturen zu investieren. Und das kann sich auch in Form von zuerkannten Drittmitteln auszahlen." 

Gegenseitige Wissensvermittlung

Allerdings: Sich über diese Ziele mit einer Hochschulleitung zu verständigen, empfinden Podiumsteilnehmerinnen und Teilnehmende im Publikum oft als eher kniffelig. Da brauche es noch viel Übersetzungsarbeit und den Willen, sich in die Interessen und Motivation des jeweils anderen hineinzuversetzen, sagen sie. Erschwerend hinzu kommt die verbreitete Unklarheit darüber, welche Ziele Wissenschaftskommunikation verfolge und wie diese zu erreichen seien. 

Eine junge Wissenschaftlerin spricht auf einem Podium.

Dr. Carolin Enzingmüller forscht als Principal Investigator am KielSCN und ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Christan-Albrechts-Universität zu Kiel.

"Viele Forschungseinrichtungen haben ihren Auftrag, Wissenschaft zu kommunizieren, bis heute nicht für sich ausbuchstabiert", meint Anika Kaiser, Doktorandin am Seminar für Allgemeine Rhetorik der Eberhard-Karls-Universität Tübingen, die am RHET-AI Centre forscht. Für die kommenden Jahre wünscht sie sich, dass es den Institutionen gelingt, "ein Profil von Wissenschaftskommunikation zu entwickeln, das gut in das Forschungssystem passt, den Forschungsansprüchen der jeweiligen Einrichtung gerecht wird und deren eigene Arbeit bereichert." 

Dabei sollte die Kommunikation als "Austausch zur gegenseitigen Wissensvermittlung" gestaltet werden, so dass sie den Institutionen auch Wissen einbringt. Bisher würden bestimmte gesellschaftliche Gruppen nicht in den Austausch eingebunden. "Das ist nicht nur ethisch bedenklich", sagt Anika Kaiser. Die Hochschulen hätten davon selbst Nachteile im Erkenntnisgewinn. "Sie sind epistemisch betroffen."

Wen erreichen wir? 

Die Frage der Zielgruppen hält auch Carolin Enzingmüller für zentral - heute wie in der Zukunft. "Wen erreichen wir eigentlich? Das werden Wissenschaftskommunikator:innen sich wohl immer fragen", meint sie. Dahinter stehe ein ehrbares Motiv - nämlich alle erreichen zu wollen. "Das kann aber auch naive Ausmaße annehmen", sagt sie. Etwa wenn Forschende meinten, sie müssten nur allen die Fakten erklären und könnten so die Demokratie retten. "Wir müssen viel mehr kritisch reflektieren, welche Haltung wir hier zwischen Anspruch und Realität annehmen wollen." 

Eine junge Wissenschaftlerin spricht auf einem Podium.

Anika Kaiser forscht am Tübinger RHET-AI zur strategischen Wissensintegration und epistemischen Ungerechtigkeit in deliberativen Public-Engagement-Formaten.

Schutz vor Anfeindungen

Ein wachsendes Problem sehen die Podiumsteilnehmerinnen in den zunehmenden Anfeindungen gegen Wissenschaftskommunizierende. "In der Wissenschaftskommunikation bearbeiten wir heute immer mehr Themen, die politisiert oder krisenbehaftet sind", sagt Jana Laura Egelhofer, Forscherin am Institut für Kommunikationswissenschaft und Medienforschung der Ludwig-Maximilians-Universität München. "Menschen haben eine Meinung dazu und äußern diese auch - nicht immer in angemessener Weise." Hochschulen und Forschungseinrichtungen müssten für Betroffene von Anfeindungen ein starkes Schutznetzwerk vorhalten, fordern die Wissenschaftlerinnen. 

In den USA und anderen Ländern könne man immer stärkere politische Einflüsse auf die Wissenschaftskommunikation beobachten. "Wenn Politiker:innen bestimmte Forschungsrichtungen wie Gender oder Klima als ‘ideologisch’ bezeichnen, beeinträchtigt das die Legitimation auch der Kommunikation über diese Forschung", sagt Jana Laura Egelhofer. "Es braucht mehr Forschung dazu, wie sich Anfeindungen auf Forschende und Kommunizierende auswirken und wie wir Betroffene am besten unterstützen können – sowohl reaktiv als auch präventiv.", meint sie. 

Schon jetzt sollten angehende Wissenschaftskommunikator:innen in Trainings mehr über mögliche Fallstricke lernen. Grundsätzlich sollte eine Basisqualifikation Wissenschaftskommunikation allen angehenden Wissenschaftler:innen angeboten werden, sagt Jana Laura Egelhofer. 

Eine junge Wissenschaftlerin spricht auf einem Podium.

Dr. Jana Laura Egelhofer forscht am Münchner Science Communication Lab.

"Als Intermediäre müssen wir dabei gut überlegen, wie wir an Forschende herantreten, denen wir die Wisskomm näherbringen wollen", mahnt Carolin Enzingmüller. "Wie können wir ihnen von Anfang an reflektierte Ansätze vermitteln, die auch die Risiken bewusst machen und ihnen ermöglichen, Spannungen zu antizipieren?"

Expertise vernetzen

Ob in Ausbildung, Praxis oder Erforschung - in Deutschland findet sich eine breite Palette an Akteur:innen und Tätigkeiten der Wissenschaftskommunikation. "Insgesamt haben wir in der Deutschen Forschungslandschaft sehr viel Wisskomm-Expertise", stellt Carolin Enzingmüller fest. "Es muss uns nun gelingen, die vielfältige Expertise stärker zu vernetzen und Kräfte zu bündeln, um ein kritisch reflektiertes Leitbild der Wissenschaftskommunikation zu entwickeln." Auch außerhalb der Hochschulen und Forschungseinrichtungen gebe es in Deutschland verschiedene Interface-Institutionen, die Angebote für die Wissenschaftskommunikation bereithielten. "Bei der Vielfalt der hochwertigen praxisnahen Angebote wird die Frage der Brokerage immer wichtiger", sagt sie "Wie vermitteln wir, was es wo gibt?" Dafür brauche es Personen, die in den jeweiligen Communities verankert seien und Brücken bauen können. 

Insgesamt haben wir in der Deutschen Forschungslandschaft sehr viel Wisskomm-Expertise.

Dr. Carolin Enzingmüller

Transfer in die Kommunikationspraxis

Und in der Vielfalt verschiedener Einrichtungen sehen die Diskutierenden auch gewisse Hindernisse. An den Hochschulen befassten sich zwar viele verschiedenen Stellen mit Themen der Wissenschaftskommunikation, eine interne Zusammenarbeit und Klärung der verschiedenen Zuständigkeiten ist allerdings nicht immer gegeben. So nennt Jana Laura Egelhofer Beispiele von angefeindeten Wissenschaftler:innen, für die sich keine Anlaufstelle in ihren Institutionen verantwortlich fühlten. Um auf einfachem Wege kreative Lösungen zu testen und umzusetzen, seien flache Hierarchien an Hochschulen nützlich, sagt Aleksandra Vujadinovic. Und Anika Kaiser plädiert für die konsequente "Demokratisierung der Universitäten und für dialogische Beteiligungsverfahren als agile Methoden, um laufend Bedarfe zu ermitteln und neue Wege zu finden." 

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